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Umsatzsteuer: Frist für die Zuordnung zum Unternehmensvermögen endet am 31.10.2022

Insbesondere bei gemischt genutzten Wirtschaftsgütern (d. h. unternehmerisch und privat) stellt sich jedes Jahr aufs Neue die Frage, ob eine wirksame und damit rechtzeitige Zuordnung zum unternehmerischen Bereich erfolgt ist. Dies ist vor allem in Bezug auf das Thema Vorsteuerabzug für Sie als Unternehmer ein relevantes Thema.

Was ist die Zuordnungsentscheidung?

Das umsatzsteuerrechtliche Unternehmensvermögen ist nicht mit dem ertragsteuerrechtlichen Betriebsvermögen gleichzusetzen. Eine Lieferung oder sonstige Leistung wird nur dann Unternehmensvermögen, wenn sie in die unternehmerische Sphäre Ihres Unternehmens eingeht.

Dabei ist zu unterscheiden:

  • Wird eine Lieferung oder Leistung ausschließlich für unternehmerische Tätigkeiten bezogen, ist sie vollständig Ihrem Unternehmen zuzuordnen (Zuordnungsgebot)
  • Bei einer Lieferung oder Leistung, die ausschließlich für nichtunternehmerische Tätigkeiten bezogen wird, ist eine Zuordnung zu Ihrem Unternehmen hingegen ausgeschlossen (Zuordnungsverbot)
  • Bei gemischt genutzten Wirtschaftsgüter, die zu mindestens 10 % unternehmerisch genutzt werden, haben Sie als Unternehmer ein Zuordnungswahlrecht

Die umsatzsteuerliche Zuordnung zum Unternehmensvermögen gegenüber dem Finanzamt gilt nicht auch für das ertragsteuerliche Betriebsvermögen. Es handelt sich um zwei voneinander unabhängige Zuordnungsentscheidungen.

Wie muss die Zuordnungsentscheidung dokumentiert werden?

Wenn Sie also ein Gebäude oder eine Photovoltaikanlage errichten bzw. kaufen, möchten Sie bei einer (teil-) unternehmerischen Nutzung einen möglichst hohen Vorsteuerabzug erreichen. Die Entscheidung über die Zuordnung ist von Ihnen zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs des Gegenstandes vorzunehmen. Die Zuordnung zum Unternehmensvermögen muss zeitnah und vor allem erkennbar, z. B. durch Dokumentation, für die Finanzverwaltung erfolgen. Regelmäßig wird die Zuordnungsentscheidung durch Vornahme des Vorsteuerabzugs in der entsprechenden Umsatzsteuervoranmeldung dokumentiert. Sie kann aber auch in einer Umsatzsteuererklärung für das Jahr des Leistungsbezugs oder durch eine gesonderte Mitteilung dokumentiert werden.

Wann endet die Ausschlussfrist für die rechtzeitige Zuordnungsentscheidung?

Unabhängig davon ist die Zuordnungsentscheidung spätestens bis zum 31. Juli des Folgejahres des Leistungsbezuges zu treffen. Die Frist für in 2021 erworbene Wirtschaftsgüter endet aber aufgrund der verlängerten Frist erst am 31.10.2022. Dieser Zeitpunkt gilt auch bei individuell gewährter Fristverlängerung oder bei gewährter Fristverlängerung im Fall der Beauftragung eines Steuerberaters für die Abgabe der Steuererklärung. Das heißt, auch wenn Sie Ihre Umsatzsteuererklärung erst später abgeben müssten, gilt für die Zuordnungsentscheidung immer die gesetzliche Frist.
Wird bis zu deren Ablauf keine für die Finanzverwaltung erkennbare Zuordnungsentscheidung abgegeben, ist der Vorsteuerabzug endgültig verloren.

EuGH-Urteil: Ende der Ausschlussfrist in Sicht?

In diesem Zusammenhang wurde mit Spannung die Entscheidung des EuGH (Europäischer Gerichtshof) erwartet. Aufgrund einer früheren EuGH-Entscheidung "Gmina Ryjewo" (Urteil vom 25. Juli 2018, Rs. C-140/17) kamen dem BFH (Bundesfinanzhof) unionsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Ausschlussfrist. Daher wurde zur Klärung der Frage der EuGH angerufen.
Der EuGH hat in seinem am 14.10.2021 veröffentlichten Urteil (C-45/20, C-46/20) die bei uns in Deutschland geltenden Fristen für die Zuordnung zum umsatzsteuerlichen Unternehmensvermögen nicht grundsätzlich verworfen. Das Urteil erlaubt es der deutschen Finanzverwaltung weiterhin, die Zuordnungsentscheidung an die Steuererklärungsfrist zu knüpfen. Ausnahmen gelten lediglich für Härtefälle, d.h. es ist ggf. im Einzelfall zu prüfen, ob die Frist verhältnismäßig ist. Der EuGH führt weiter aus, dass das Recht auf Vorsteuerabzug an die Einhaltung von materiellen als auch formellen Voraussetzungen geknüpft ist. Die Zuordnungsentscheidung gilt dabei als materielle Voraussetzung für den Vorsteuerabzug, während es sich bei deren Mitteilung an die Finanzverwaltung um eine formelle Voraussetzung handelt. Die Nichteinhaltung der Ausschlussfrist für die Mitteilung an die Finanzverwaltung darf laut dem EuGH nicht mit der Aberkennung des Vorsteuerabzugs bestraft werden. Anstelle dessen soll auf weniger drastische Sanktionen wie zum Beispiel eine Geldstrafe oder auch eine längere Frist zurückgegriffen werden.

Die Frage, ob eine feste Zuordnungsfrist ein verhältnismäßiges Mittel sei, den Grundsatz der Rechtssicherheit zu erreichen, ist durch den BFH noch nicht final geklärt. In dieser Sache bleibt daher nur abzuwarten.

Praxis-Tipp:
Auch wenn das letzte Wort in dieser Sache noch nicht gesprochen ist, empfehlen wir Ihnen, sich vorerst weiterhin an die gesetzliche Frist für die Zuordnungsentscheidung zu halten. Sollten Sie nach dem 31.10.2022 (und damit verspätet) dem Finanzamt gegenüber eine umsatzsteuerliche Zuordnungsentscheidung für in 2021 erworbene Wirtschaftsgüter treffen und vom Finanzamt eine ablehnende Entscheidung erhalten, legen Sie hiergegen Einspruch ein und berufen Sie sich auf das oben genannte EuGH-Urteil.

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